Vor der Operation

Antragstellung

Dieser Leitfaden ist als Hilfestellung für alle jene gedacht, die aufgrund ihres schweren Übergewichtes eine bariatrische Operation (OP) in Betracht ziehen.

Es wird unter anderem erklärt, welche Schritte im Vorfeld einer bariatrische OP erforderlich sind, um die von den Krankenkassen vorgeschriebenen Kriterien für eine Kostenübernahme zu erfüllen.

Ein adipositaschirurgischer Eingriff kommt immer nur als letzter Ausweg (Ultima Ratio) in Betracht – so hat es das Bundessozialgericht erstmals im Jahre 2003 entschieden. Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) hat 2009 einen Begutachtungsleitfaden herausgebracht, der detailliert festlegt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit die Ultima Ratio greift. Dieser Leitfaden orientiert sich an den vom MDS aufgestellten Kriterien und berücksichtigt außerdem die im Jahre 2010 von der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAG) mitherausgegebene S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas.

Im ersten Abschnitt werden die Voraussetzungen einer Antragstellung beleuchtet, während sich der zweite Teil mit dem Antragsverfahren selbst befasst. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) entscheidet nach sorgfältiger Prüfung über einen solchen Kostenantrag. Wird dieser abgelehnt, kann gegen diese Entscheidung Widerspruch eingelegt werden.

Der Antrag sollte stets in Zusammenarbeit mit dem ausgewählten Adipositas-Zentrum Ihres Vertrauens gestellt werden, um die bestmöglichen Chancen auf einen positiven Bescheid durch den MDK zu gewährleisten.

Die meisten Kliniken, die über ein Adipositas-Zentrum verfügen, haben eine Adipositas-Sprechstunde eingerichtet und Ansprechpartner benannt. Eine Auswahl an Adipositas-Zentrum finden Sie unter dem Reiter „Standorte“ auf dem Experten-Netzwerk-Adipositas. An einen dieser Ansprechpartner sollten Sie sich wenden, nachdem ein Hausarzt oder ein niedergelassener Facharzt eine Überweisung mit der Diagnose pathologische Adipositas ausgestellt hat.

Und so funktioniert's:


Grundvoraussetzungen

Grundvoraussetzungen

Es wird angenommen, dass der Antragsteller zwischen 18 und 65 Jahre alt ist. OPs für Jugendliche und ältere Patienten sind zwar grundsätzlich auch möglich, erfordern aber eine detaillierte Einzelfallabwägung.

  1. Es liegt eine Adipositas Grad II (BMI-Wert ab 35) mit schwerwiegenden Begleiterkrankungen vor; als solche zählen unter anderem manifester Diabetes mellitus, schwere arterielle Hypertonie (Bluthochdruck), Schlafapnoe (Atemstillstände während des Schlafs), Erhöhung der Blutfette sowie fortgeschrittene Veränderung des Bewegungsapparates.
  2. Es liegt eine Adipositas Grad III (BMI-Wert ab 40) vor.
  3. Es wurde ausgeschlossen, dass eine Erkrankung vorliegt, welche die Adipositas verursacht und anderweitig zu behandeln ist. Hier kommen zum Beispiel endokrinologische (hormonelle) Erkrankungen infrage, die zu einer Unterversorgung mit Schilddrüsenhormonen oder zu einer Überproduktion des Nebennierenhormons Kortisol führen. Auch an die Möglichkeit eines Adenoms (hormonproduzierenden Tumors) sollte gedacht werden.
  4. Es liegen keine Kontraindikationen vor; hier kommen infrage:
    • Konsumierende (auszehrende, Gewichtsverlust auslösende) und immundefizitäre Erkrankungen wie etwa AIDS, Krebs, Tuberkulose
    • Ein deutlich erhöhtes oder lebensbedrohliches Risikoprofil, massive Funktionsstörungen des Herz-Lungen-Systems, schwere Leber- und Nierenerkrankungen, schwere Gerinnungsstörungen, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, kongenitale (angeborene) Anomalien (Fehlbildungen) des Magen-Darm-Traktes
    • Schwangerschaft
    • Drogen- oder Alkoholabhängigkeit
    • Schwere, unbehandelte psychische Erkrankungen, zu denen auch Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht) und das Borderlinesyndrom gehören
    • Stark eingeschränkte Alltagskompetenz und mangelnde Fähigkeit, die Konsequenzen einer bariatrischen OP und der Nachsorge zu erfassen
    • Hormonproduzierende Tumore
  5. Die konservativen Maßnahmen werden zu einem sogenannten multimodalen (mehrgliedrigen) Behandlungskonzept zusammengefasst, das zu einer nachhaltigen Umstellung des Verhaltens eines Adipositas-Patienten führen soll; es umfasst die 3 Module Ernährungs- und Bewegungstherapie sowie gegebenenfalls auch Verhaltenstherapie.

Ernährungstherapie:

Die Durchführung einer solchen unter der Aufsicht eines Ernährungsmediziners und/oder einer anerkannten ernährungstherapeutischen Berufsgruppe/Einrichtung muss nachgewiesen werden. Eigenständige Therapieversuche (Diäten) oder die Nutzung kommerzieller Angebote (Weight Watchers, Formula-Diäten etc.) reichen in den meisten Fällen einer nicht aus.

Bewegungstherapie:

Hier kann der Nachweis durch Mitgliedschafts- oder Teilnahmebescheinigung an Sportverein-, Fitnessklub- oder Volkshochschulkursen erbracht werden; auch möglich ist die Angabe einer sportlichen Betätigung von mindestens 2 Std. pro Woche. Die körperliche Anstrengung im ausgeübten Beruf (Landwirt, Bauarbeiter, Straßenbauer etc.) zählt ebenso.

Verhaltenstherapie:

Angesichts langer Wartezeiten auf Therapieplätze gestaltet sich der Nachweis oftmals schwierig. Das dem Antrag beigefügte psychiatrische Gutachten zum Ausschluss einer schweren psychischen Erkrankung und/oder behandlungsbedürftigen Essstörung kann den Nachweis ersetzen.

Ausnahmen/Anmerkungen:

  1. Hat ein Patient mit einem konservativen Therapieansatz innerhalb von 6 Monaten eine kontinuierliche Gewichtsabnahme von mindestens 10% des Ausgangsgewichts erzielt, so sind die konservativen Maßnahmen zunächst fortzusetzen. Wird allerdings nach der Beendigung der Therapie das ursprüngliche Gewicht wieder erreicht oder sogar überschritten, ist die konservative Behandlung als erfolglos einzustufen.
  2. Bei einem BMI-Wert ab 60 ist davon auszugehen, dass eine wesentliche und nachhaltige Gewichtsreduktion auch mit einer multimodalen konservativen Therapie nicht zu erreichen ist. In derartigen Fällen wird hauptsächlich geprüft, ob eine ernährungsmedizinische Betreuung (auch als Vorbereitung auf die postoperative Phase) durchgeführt wurde. In solchen Fällen wird der MDK einer OP meist rasch zustimmen.

Antragsverfahren

Antragsverfahren

Patienten müssen bei ihrer Krankenkasse einen Antrag auf Kostenübernahme stellen. Es ist wichtig, alle hierfür notwendigen Unterlagen sachlich und übersichtlich zu gestalten. Zusätzlich zum schriftlichen Antrag und den erforderlichen Gutachten werden auch die vorgesehene adipositaschirurgische Maßnahme sowie die gewünschte Klinik einer Prüfung unterzogen. Und es wird darauf geschaut, ob die postoperative Versorgung (Nachsorge) sichergestellt ist.

  1. Zwingend erforderliche Unterlagen

    Persönliches Antrags- bzw. Motivationsschreiben

    • das darlegt, warum der Antrag gestellt wird und welche Ziele sich der Antragsteller gesteckt hat; außerdem sollte ersichtlich werden, welche Einschränkungen in Alltag und Beruf aufgrund des Übergewichtes bestehen. Aus dem Schreiben muss hervorgehen, dass sich der Antragsteller umfassend über die Risiken und Chancen einer operativen Maßnahme informiert hat (Risikobewusstsein), und trotz der teils lebenslangen Konsequenzen einer Substitutionstherapie bereit und motiviert ist, seinen Lebensstil und seine Gewohnheiten dauerhaft zu umzustellen
    • Angaben: Aktuelle Körpermaße (Größe, Gewicht), seit wann das Übergewicht besteht, bisher höchstes Körpergewicht, Gewicht vor 3 Jahren
    • Persönlicher Diätlebenslauf: Welche Diäten/Programme wurden wann durchgeführt, Angabe von Gewichtsabnahme und erneuter Zunahme
    • Nachweis bezüglich durchgeführter Ernährungsberatungen, Bewegungstherapien und Verhaltenstherapien Art und Intensität der körperlichen Aktivität
    • Angaben zu Vorbehandlungen wegen Adipositas (Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörung, Schilddrüsenerkrankung, Herzerkrankung, Orthopädie, etc.) - haus- und fachärztliche Befundberichte bzw. Gutachten
    • Angaben zu Vorbehandlungen wegen Adipositas (Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörung, Schilddrüsenerkrankung, Herzerkrankung, Orthopädie, etc.) - haus- und fachärztliche Befundberichte bzw. Gutachten

      a. Gutachten des vorgesehenen Adipositas-Chirurgen
      b. Psychiatrisches/psychotherapeutisches Gutachten

      Aus dem Gutachten muss eindeutig hervorgehen, dass eine Therapie NICHT notwendig ist. Außerdem dient es dazu, psychische Konstellationen zu identifizieren, die einen postoperativen Therapieerfolg negativ beeinflussen könnten (z.B. psychische Stressfaktoren, ungünstiges soziales Umfeld etc.)

  2. Den Antrag ergänzende, optionale Unterlagen

    • Berichte bezüglich etwaiger durchgeführter Reha-Maßnahmen
    • Aktuelles Pflegegutachten, wenn Pflegebedürftigkeit vorliegt
    • Weitere ärztliche Stellungnahmen/Befunde zu Begleiterkrankungen und etwaiger hormoneller Grunderkrankungen
    • Bescheinigungen über Teilnahmen an Programmen, Selbsthilfegruppen
    • Ernährungsprotokoll oder Diättagebuch (mind. 4 Wochen)
    • Angaben bezüglich einer späteren etwaigen plastisch-rekonstruktiven Maßnahme (Entfernung von Hautschürzen, Hautstraffung)

  3. Operationsmethoden - anerkannter Stand der medizinischen Erkenntnisse

    Der MDK überprüft auch, ob die gewünschte und vorgeschlagene bariatrische OP-Methode dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis entspricht.

    Zu den vom MDK anerkannten Maßnahmen gehören nach dem jetzigen Stand (Mai 2015):

    • Das verstellbare Magenband
    • Der Magenbypass (meist empfohlenes Verfahren)
    • Die biliopankreatische Diversion mit/ohne Duodenal Switch (BPD +/- DS)
    • Die vertikale Gastroplastik (wird nur noch selten eingesetzt)

    Besonderheit hinsichtlich einer Schlauchmagen (Sleeve Gastrektomie)-OP: diese zählt zwar (momentan) nicht zu den vom MDS anerkannten Methoden, wird jedoch von der DAG empfohlen und wegen ihres anfänglich guten Gewichtsverlustes in der Praxis häufig eingesetzt.

    Dieser Eingriff ist auch aus sozialmedizinischer Sicht zu empfehlen:

    • bei zweistufigem Vorgehen: z.B. zur Herabsetzung des bei schwerst Übergewichtigen erhöhten OP-Risikos; als Vorstufe für einen Magenbypass oder eine BPD kann das Verfahren indiziert sein.
    • bei einstufigem Vorgehen: Es sollte alternativ eine anerkannte Methode angedacht werden. Wird jedoch an der Schlauchmagenbildung festgehalten, sollte die Methode wissenschaftlich (möglichst durch eine randomisierte, prospektive Studie) untermauert werden.

    a. Sind die Klinik und der (die) Chirurg(en) geeignet?

    Die OP kann in einem der zertifizierten Adipositas-Zentren Deutschlands oder einer anderen Klinik durchgeführt werden, die über die erforderlichen Fachabteilungen verfügt. Dadurch wird gewährleistet, dass ein spezialisiertes und interdisziplinäres Team (u.a. Internisten, Adipositas-Chirurgen, Kardiologen, Ernährungsberater, Psychologen, Bewegungstherapeuten u.v.m.) für eine umfassende Versorgung zur Verfügung steht.

    b. Ist eine langfristige, unter Umständen lebenslange, Nachsorge sichergestellt?

    Der Nachsorge kommt bei adipositaschirurgischen OPs eine noch gewichtigere Rolle zu als der Vorsorge. Daher muss sich ein Patient mit der lebenslangen Nachbetreuung bereits vor der OP auseinandersetzen und diese planen.

    Das ist wichtig, damit

    • potenzielle Früh- und Spätkomplikationen einer OP und metabolische (den Stoffwechsel betreffende) Langzeitkomplikationen einer Malabsorption (verminderte Nährstoffaufnahme im Darm) hinsichtlich des Mineral- und Vitaminstoffwechsels erkannt werden,
    • bei schweren Begleiterkrankungen Medikamente neu eingestellt werden können,
    • bei einer erneuten Gewichtszunahme frühzeitig mit konservativen Methoden gegengesteuert werden kann,
    • bei weiblichen Patienten eine Beratung zu einer eventuell geplanten/auftretenden Schwangerschaft gewährleistet wird.

    Sofern ein Antragsteller die vorgenannten 5 Punkte erfüllt, wird der MDK den geplanten Eingriff in dem vorgesehenen Krankenhaus in der Regel empfehlen.

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